Mitglied der Anwaltskammer Eupen & Westflandern – Diplom Dess in Steuer- und Unternehmensrecht
Membre du Barreau Eupen & Flandre occidentale – Diplôme Dess en droit fiscal et droit des sociétés
Lid van Balie Eupen & West-Vlaanderen – Diploma Dess in fiscaal- en ondernemingsrecht

Die Geschäftsführer‑ und Aktionärsvereinbarung im belgischen Gesellschaftsrecht

Warum sie unverzichtbar ist und welche Punkte sie regeln sollte

26.12.2025

In belgischen Kapitalgesellschaften – insbesondere der GmbH und der AG – ist eine gut ausgearbeitete Geschäftsführer‑ und Aktionärsvereinbarung (oft auch Shareholders’ Agreement oder Pacte d’actionnaires genannt) eines der wichtigsten Instrumente zur Sicherung stabiler Unternehmensführung. Während das Gesetz und die Statuten den rechtlichen Rahmen vorgeben, regelt die Vereinbarung das tatsächliche „Innenleben“ der Gesellschaft: Zusammenarbeit, Entscheidungsprozesse, Konfliktlösung und die langfristige Ausrichtung.

Nachfolgend ein Überblick über die zentralen Themen, die in einer solchen Vereinbarung geregelt werden sollten.


1. Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten

Eine klare Aufgabenverteilung verhindert Kompetenzüberschneidungen und spätere Streitigkeiten. Typische Regelungsinhalte:

  • Zuständigkeiten der Geschäftsführer: operative Leitung, Finanzen, Personal, Vertrieb, strategische Entscheidungen.
  • Berichtspflichten: Häufigkeit, Form und Inhalt der Berichte an die Gesellschafter oder den Verwaltungsrat.
  • Entscheidungskompetenzen: Welche Entscheidungen darf ein Geschäftsführer allein treffen, welche nur gemeinsam oder mit Zustimmung der Aktionäre.
  • Vergütung und Spesenregelungen: Fixvergütung, variable Vergütung, Boni, Erstattungen.

Gerade in der GmbH, wo die Flexibilität hoch ist, schafft eine präzise Aufgabenverteilung Rechtssicherheit und Transparenz.


2. Abstimmungsverhalten und Entscheidungsmechanismen

Die Aktionärsvereinbarung ist das ideale Instrument, um über das gesetzliche Mehrheitsprinzip hinausgehende Abstimmungsregeln festzulegen:

  • Qualifizierte Mehrheiten für wichtige Entscheidungen (z. B. Kapitalerhöhungen, Verkauf wesentlicher Vermögenswerte, Änderung der Geschäftsausrichtung).
  • Vetorechte bestimmter Aktionäre oder Aktionärsgruppen.
  • Stimmrechtsbindungen: Verpflichtung, in bestimmten Situationen gemeinsam abzustimmen (z. B. bei der Ernennung von Geschäftsführern).
  • Konsultationspflichten vor Abstimmungen.

Solche Regelungen verhindern Blockaden und schaffen Planbarkeit – besonders in Gesellschaften mit mehreren aktiven Gesellschaftern.


3. Konfliktlösung und Deadlock‑Mechanismen

Konflikte sind in jeder Gesellschaft unvermeidlich. Entscheidend ist, wie man sie löst. Eine gute Vereinbarung enthält:

  • Mediations‑ oder Schlichtungsklauseln als erste Stufe.
  • Deadlock‑Mechanismen, wenn Entscheidungen blockiert sind, z. B.:
    • Russian Roulette
    • Texas Shoot‑Out
    • Buy‑Sell‑Optionen
    • Ping‑Pong‑Mechanismen
  • Regelungen zur Abberufung von Geschäftsführern bei schwerwiegenden Konflikten.
  • Vertraulichkeits‑ und Loyalitätspflichten während des Konfliktverfahrens.

Diese Mechanismen sind besonders wichtig in paritätisch besetzten Gesellschaften, in denen ein Patt schnell zur Handlungsunfähigkeit führt.


4. Übertragung von Aktien und Exit‑Regelungen

Ein weiterer Kernbereich jeder Aktionärsvereinbarung:

  • Vorkaufsrechte und Mitverkaufsrechte (Tag‑Along)
  • Mitverkaufspflichten (Drag‑Along)
  • Lock‑Up‑Perioden
  • Bewertungsmethoden für den Kaufpreis (z. B. EBITDA‑Multiples, unabhängige Gutachter)
  • Austritt eines Gesellschafters und Folgen für die Geschäftsführung

Diese Bestimmungen schützen die Stabilität der Gesellschaft und verhindern unerwünschte Gesellschafterwechsel.


5. Schutz der Gesellschaft und der Aktionäre

Um die Kontinuität des Unternehmens zu sichern, enthalten Vereinbarungen oft:

  • Wettbewerbsverbote und Abwerbeverbote
  • Geheimhaltungspflichten
  • Regelungen zur Nutzung von geistigem Eigentum
  • Finanzierungsverpflichtungen der Aktionäre (z. B. Darlehen, Kapitalnachschüsse)

6. Verhältnis zur Satzung und zum belgischen Gesellschaftsrecht

Die Aktionärsvereinbarung ergänzt die Satzung, ersetzt sie aber nicht. Wichtig ist:

  • Widersprüche zur Satzung vermeiden, da die Satzung gegenüber Dritten Vorrang hat.
  • Vertraulichkeit: Die Vereinbarung wird nicht veröffentlicht und bleibt intern.
  • Durchsetzbarkeit: Vertragsstrafen, Schiedsklauseln und klare Sanktionen erhöhen die Wirksamkeit.

Fazit Eine Geschäftsführer‑ und Aktionärsvereinbarung ist kein Luxus, sondern ein strategisches Steuerungsinstrument. Sie schafft klare Spielregeln, verhindert Konflikte und schützt sowohl die Gesellschaft als auch die einzelnen Aktionäre. Gerade in der belgischen GmbH, die dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt, ist sie ein unverzichtbares Werkzeug für eine stabile und erfolgreiche Unternehmensführung.